IMPLIKATIONEN DES PORTRAITS 2009
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KURATIERT VON BEN KAUFMANN

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28.05. – 25.06.2009


Wie ist der Titel der Ausstellung ‚Implikation des Portraits 2009’ zu interpretieren?


„Setzt man den umgangssprachlichen Begriff von Implikation voraus, kann der Titel zunächst im Sinne einer aktuellen Folgerung aus dem historisch entwickelten Konzept des Portraits verstanden werden. In einem engeren durch die formale Logik definierten metasprachlichen Sinn ist die Implikation eine Relation zwischen Satzkonstanten: Die Sätze A1 bis An implizieren den Satz B genau dann wenn, A1 bis An ist wahr dann ist auch B wahr. Die historisch eng mit der Gattung verknüpften Forderungen der Authentizität und Wirklichkeitstreue rücken das Portrait in die Nähe des semantischen Begriffs der Wahrheit. Generell finde ich die Frage interessant, ob sich semantische Konzepte wie der wahrheitsfunktionale Begriff der Implikation auf das Portrait als eine Gattung der ‚Sprachen der Kunst’ übertragen lassen. Inwiefern kann heute ein Portrait nach Kriterien der Übereinstimmung beurteilt werden und welche Folgerungen können sich aus einzelnen Bildnissen sowie der Gattung ergeben?“ (Ben Kaufmann)
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Bildgattung. Sicherlich ist ein Portrait nicht immer nur eine wahrheitsgetreue Abbildung des Äußeren bzw. des Wesens der dargestellten Person oder Personengruppe, eingeordnet nach dem Ausschnitt der Figuren, die man sieht. Hinzu kommen Euphemismen, oder der Ausdruck der jeweiligen Künstlerintention.
Die Entwicklung vom ägyptischen Mumienportrait über den wahrheitsgetreuen Realismus ab dem 14. Jahrhundert bis hin zur Neuinterpretation eines Bacon oder Warhol führt zu mehr als das, was man naiv betrachtet von einem Abbildhaften Bildnis erwartet. Wohin führt uns in Zukunft dieser Weg, reicht die Hommage an sich?
„Ich persönlich sehe das Portrait viel abstrakter bzw. universeller, nicht ausschließlich in der kunsthistorischen Einbettung. Mit dem Begriff Hommage ist ein guter Punkt getroffen, da wir auch im Titel das Wort Portrait mit ‚ai’ geschrieben haben, was schon eine nostalgische Sicht vermuten lässt. Im Titel befindet sich aber auch die Jahreszahl 2009, d.h. die Gegenwart. Ich denke, dass diese zwei Eckpunkte in Kombination mit ‚Implikation’ das Spielfeld sowie die Spielregeln der Ausstellung ‚Implikation des Portaits 2009’ darstellen.“ (Ben Kaufmann)
Klar ist zumindest, dass auch bei diesen ‚Portraits’ (ob sie nun figürlich auszumachende Gesichter zeigen oder nicht) die Vorstellung des Spiegelbildes verkörpert wird. Seit jeher ist der Spiegel eine der Metaphern in der Geschichte der abendländischen Kultur und lässt eine ganze Reihe an Bezügen zu. Nicht ohne Grund gibt es zahlreiche abergläubische Redensarten über den Spiegel, wie zum Beispiel der zerbrochene, welcher uns sieben Jahre Unglück beschert, weil er unser Doppelgänger ist und als Verletzter auch uns verletzt. Glauben Sie daran? Oder an die Vorstellung, er enthülle Selbsterkenntnis und Wahrheit, aber auch Eitelkeit und Wolllust? Zumindest dachten die Menschen in der Antike, ein Spiegel könne die Seele eines Menschen einfangen und festhalten. Der Betrachter selbst wird zum Gefangenen des observierten (Spiegel-) Bildes.
Die Ausstellung hat wohl mehr zu bieten als die Durchdeklinierung der Spiegelmetapher. Viele Werke finden ihren Schnittpunkt in einer möglichen interpretatorischen Idee: die Inszenierung zu einem Gesamtgefüge, das man mit einer Theatervorstellung vergleichen kann. Allein das große Schaufenster der Galerie gibt dem Besucher, schon bevor er die Ausstellung betritt, das Gefühl von einem beobachtet werden wollenden Spektakel. Dies erinnert an die 1938 von André Breton und Paul Eluard organisierte Ausstellung „Exposition Internationale du Surréalisme“ in der Galerie Beaux-Arts in Paris. In der von Man Ray unter dem Titel „Resurrection des Mannequins“ dokumentierten Aktion wurde jedem der 15 Künstler, unter ihnen Dalí, Duchamp, Ernst, Masson, Miró und Ray eine Schaufensterpuppe zur Verfügung gestellt, welche sie nach Belieben umgestalten konnten.
Darüber hinaus versinnbildlicht das Schaufenster mit der dazugehörigen 'Dekoration' die offensichtliche Fiktion einer vierten Wand. Während sich die Schauspieler auf der Bühne ihrer Beobachtung durch das Publikum bewusst sind, wissen die von ihnen gespielten Figuren nicht um ihre observierte Präsenz. Sie fühlen sich in ihren Handlungen wie hinter einer Wand, abgeschirmt von der Außenwelt und neugierigen Augenpaaren. Ebenfalls ist sich das Bildpersonal seiner Beobachtung durch den Betrachter nicht bewusst, jedoch durchbricht der Künstler die vierte Wand und macht das Bild als Bühne zugänglich - die vierte Wand als eine Art der Inszenierung.
Ist die Ausstellung gedacht als eine Antwort auf die 2005 von Nicolaus Schafhausen kuratierte Ausstellung ‚Bühne des Lebens- Rhetorik des Gefühls’ im Lenbachhaus, München?
„Nein, ich sehe das nicht als Weiterführung, auch wenn es bei der lichttechnischen Umsetzung Parallelen gibt, die einer Inszenierung ähnlich sind. Die Frage ist vielmehr, welche Show die bessere ist!“ (Ben Kaufmann)
Das Schauspiel im Panoptikum kann also beginnen.


Luise Kuhn

Ben Cottrell
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